Bildungssprache
Die mündliche Alltagssprache bedient sich oft z. B. unvollständiger Sätze, informeller Begriffe, lautlicher und gestischer nonverbaler Mittel. Demgegenüber stellt Schriftlichkeit wesentlich höhere Anforderungen an inhaltliche und formale Strukturen von sprachlichen Äußerungen, an deren Konsistenz und Kohärenz. Typischerweise finden (zunächst) in den Bildungsinstitutionen diese anderen sprachlichen Strukturen auch in die mündliche Kommunikation Eingang. Der am Schriftlichen orientierte Sprachgebrauch wird - unabhängig davon, ob mündlich oder schriftlich ausgeführt - als konzeptionelle Schriftlichkeit bezeichnet. Sie ist ein wesentliches Merkmal der Bildungssprache. Mit diesem Begriff bezeichnete Jürgen Habermas (1977) dasjenige sprachliche Register, in dem man sich mit den Mitteln der Schulbildung ein grundlegendes Orientierungswissen verschaffen kann.
Der Begriff Bildungssprache wurde von uns aufgenommen, konkretisiert und mit Blick auf das Lernen unter Mehrsprachigkeitsbedingungen angereichert (Gogolin, 2006). Die Sprache der Schule ist bildungssprachlich geprägt. In den bewerteten (benoteten) Beiträgen im Unterricht wird eine besondere Sprachkompetenz (auch sprachliches ‚Register‘ genannt) benötigt, die sich an der Schriftsprache orientiert. Das Sprechen und Schreiben in vollständigen Sätzen, mit einem besonderen Wortschatz, der auch Fachbegriffe und textsortenspezifische Formulierungen umfasst, und die Vermeidung von unpassendem Jargon (mit Ausnahme des Zitierens), wird verlangt. Die Schule setzt von Klassenstufe zu Klassenstufe und parallel zur Hierarchie der angestrebten Bildungsziele bildungssprachliche Kenntnisse zunehmend voraus. Sie werden nicht nur in der aktiven bzw. produktiven sprachlichen Umsetzung durch die Schüler(innen) benötigt, sondern auch für die Rezeption der Texte oder der Aufgabenstellungen, weitgehend unabhängig vom Schulfach, ohne dass sich die Akteure dessen immer bewusst sind (Riebling, 2013).